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Abkehr oder Modifizierung der europäischen Haltung gegenüber China im Wirtschaftsgeschehen?

Noch vor einem Jahr (in 2019) war die Euphorie gross, wenn es um Geschäfte mit China ging. Nun scheint es, als würde die Haltung der europäischen Ökonomie etwas differenzierter zu bewerten sein.  Die Meinungsvielfalt zu diesem Thema ist  jedenfalls gross. Ökonomische  Attraktivität des Chinesischen Marktes, Menschenrechte, digitale Kontrolle sind nur einige Aspekte, die  zu unterschiedlichen Bewertungen eines internationalen Engagements mit China führen können.

Autor: Prof. Dr. Udo Müller, Wirtschaftswissenschaftler und Dozent an der ZHAW School of Engineering

Ist es sinnvoll sich wieder eher den nationalen Märkten zuzuwenden? Ganz sicher nicht. Aber Zuliefersituationen geschaffen zu haben, die die Abhängigkeit gegenüber asiatischen Lieferanten so ausgestalten, dass europäische Unternehmen nahezu ausgeliefert sind und kaum eigenständig, innerhalb Europas, zu ausreichenden Zulieferungen kommt, ist sicher eine inakzeptable Konstellation, die es zu korrigieren gilt.

An dieser Stelle soll ganz bewusst jegliche politische Betrachtungen ausgeblendet werden, denn das muss jeder für sich entscheiden und bewerten.

Covid19 hat vieles verändert. Die Welt steht Kopf. Aber wie war das noch, wenn man mal Politik und Covid19 ausblendet?

Mit Blick auf aktuelle Wirtschaftsdaten lässt sich in Bezug auf das Agieren in und mit China ein zusammenfassendes Fazit ziehen.

Wie soll man sich ökonomisch positionieren? Denn dünnere europäische Auftragsbücher und nicht mehr so rasant steigendes chinesisches Wirtschaftswachstum lassen vermuten, dass der Markt an Attraktivität verliert. Das sollte man richtig relativieren:

  1. Gleich, ob das Wachstum der Chinesischen Ökonomie nur mit geringeren einstelligen Raten ausfällt, bleibt es dabei, dass wir in vielen Branchen in China auf die jeweils weltweit grössten Märkte treffen.  – Ein guter Grund sich in China zu engagieren!
  • Das wirtschaftliche Umfeld ist für europäische Unternehmer in China nicht einfacher geworden. Die Chinesische Konkurrenz wird zunehmend stärker. Aber dennoch greifen die Stärken der europäischen Unternehmen in China und werden nach wie vor von Chinesischen Kunden sehr geschätzt. Eine besondere Stärke bleibt das sehr gute Qualitätsniveau der  europäischen Produktangebote.
  • Auch wenn der Kostendruck in China steigt, so lässt sich dennoch sehr kostengünstig in China produzieren.
  • China ist für Europäische Unternehmen ein gutes Sprungbrett zu anderen asiatischen Absatzmärkten.
  • Kreativlösungen bleiben eine besondere Stärke von Schweizer Unternehmen.
  • In mancher Hinsicht haben die Europäer jedoch Probleme mit dem technischen Niveau Chinas oder USA mitzuhalten. Es tut sich die Frage auf, ob wir (wieder) auf eine bipolare Globalorientierung zulaufen.
  •  In der Selbstprüfung sollten sich die Europäer die Frage stellen, ob sie nicht, im Vergleich zu Chinesischen Entscheidern, zu langsam entscheiden und umsetzen.
  • Europäische Unternehmen sollten sich die Frage stellen, ob ihr Beziehungs- und Sales-management zu/mit chinesischen Kunden für die Zukunft ausreichend gut ausgebaut ist, um den Einflüssen chinesischer Konkurrenten standzuhalten. Denn noch wiegen die europäischen Produktleistungen stark genug. Doch wie lange bleibt das so? China bleibt die Werkbank der Welt – aber China setzt vermehrt auf eigene Güter.
  • Die Ein-Kind-Politik hat grosse Auswirkungen auf die Chinesische Wirtschaft und daraus resultierende Nachfrage nach Problemlösungsangeboten ( z.B. Automatisierung / Robotik)

Aus der Engineering-Perspektive haben wir noch zusätzlich einige Problemfelder, die es zu bearbeiten gilt:

  • Japanische und Amerikanische Normen sind in China weiter verbreitet als Europäische Normen.
    • Materialien in China sind trotz Deklaration gleicher Normierungen nicht den Europäischen Materialien identisch.
    • Nicht selten stößt man auf praxisfremde Ausbildung von Chinesischen Ingenieuren. Praxistraining und Praxisprüfung ist ratsam.
    • Leistungen werden gern, auch ohne entsprechende Expertise, angeboten. Eine technische Gegenprüfung ist für das Abwenden von Pannen wichtig.
    • Man trifft stark abweichende Qualitätsvorstellungen an. Hier sind Nachbesserungen dringend erforderlich.
    • Prozessdokumentationen helfen viel Ausschuss zu sparen.
    • Schulungen zur Verbesserung der Grundlagenkenntnisse in der Werkstückbearbeitung sparen viel Zeit und Geld.

Und nun blenden wir all diese anderen Aspekte wieder ein: Hinsichtlich des eigenen politischen Gewissens, ist abzuwägen, wie stark das unternehmerische Engagement mit den politischen Rahmenbedingungen zu vereinbaren ist. Die ökonomischen Fakten sprechen eine eindeutige Sprache. Betrachtet man beispielsweise im Bereich der Automobilbranche die Wachstumsraten der PKW-Neuzulassungen, so konnte man in China, trotz Covid19, in 2020 ein beschauliches, wenn auch stark gemäßigtes, Wachstum beobachten, während es in Europa gänzlich schlecht aussah. Wachstum kommt in diesen Tagen aus Asien. Möchten oder besser können wir darauf verzichten? In Europa wird man nicht mehr nur auf die attraktiven Wachstumspotentiale in Asien starren. Das hat sich geändert. Die moderate Mischung aus Globalisierung und Besinnung auf die Bearbeitung des Heimatmarktes macht die gesunde Asienpositionierung aus. Sensibilisiertes Asienmanagement mit Markt-Diversifizierung scheint hier die bessere Vorgehensweise zu sein. Damit sollten auch Märkte, wie Indonesien, Malaysia, Vietnam, Kambodscha, Thailand, Indien oder Philippinen in das internationale Asien-Kalkül einbezogen werden. China ist und bleibt dennoch ein äußerst interessanter und attraktiver Markt, den es weiter zu bearbeiten gilt.

Der Austausch über die ökonomischen Asienoptionen ist unerlässlich. Dafür existieren vielfältige Möglichkeiten. „Dazu  sind Sie auch stets zu meinen speziellen Asienveranstaltungen eingeladen“, so Prof. Dr.Udo Müller.

Prof. Dr. Udo Karl Müller

Prof. Dr. Udo Karl Müller
Der promovierte Ökonom ist
Dozent an der ZHAW.
Er vermittelt seit 12 Jahren
mit internationalen Projekten
Erfahrung im Chinageschäft.
Wissen praxisorientiert und
spannend weiterzugeben, ist
sein Leitgedanke.

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