Stress am Morgen? Muss nicht sein!
20.04.2017 | von Dr. Maximilian Haid |
Stress am Morgen? Muss nicht sein!
Kommt Ihnen dies bekannt vor?
Schon am Morgen: Wecker läutet – kaum und schlecht geschlafen,ist in letzter Zeit öfters vorgekommen – mit einem Schlag auf den Wecker Lärm beendet – – Blick auf die Uhr, schon spät,“ ich werde wieder einmal zu spät kommen“, Gedanken von gestern mit Problemen am Arbeitsplatz, weil Auftrag nicht rechtzeitig erledigt wurde, werden plötzlich wieder gegenwärtig – miese Stimmung, Magenverstimmung – Hektik – schnell noch Kaffeautomat einschalten, heißen Kaffee hinunterschlürfen – keine Zeit für das Frühstück – sich anziehen,waschen, Zähne putzen – zum Auto hetzen, Handy am Ohr – auf der Fahrt zur Firma kommen wieder Gedanken über unerledigte Aufträge – frustriert und demotiviert beginnt der Arbeitstag.
Wenn sich dieses Szenarium über mehrere Tage wiederholt, könnte es für den Betreffenden schwerwiegende gesundheitliche Folgen mit sich bringen. Oftmals wird es, insbesonderen Männern, nicht bewusst, dass sie Raubbau mit ihrer Gesundheit betreiben, weil das schädliche Leistungsprinzip schon so verinnerlicht wurde, sie existentielle Ängste (im Zusammenhang mit Arbeitsplatzverlust) plagen, und sie keinen Ausweg aus ihrem Dilemma sehen. Andererseits könnten schon frühzeitig Beschwerden auftreten, die unweigerlich den Gang zum Hausarzt und Krankenstand hervorrufen. Wodurch wiederum Schuldgefühle wegen Versäumnisse am Arbeitsplatz entstehen können. Nach dem Krankenstand kann der Teufelskreis wieder von vorne beginnen. Wie kann in einer derartigen Situation der Teufelskreis durchbrochen werden? Um sich helfen lassen zu können, sollte der Leidensdruck vom Betreffenden spürbar und erkennbar sein, dass er in einem ursächlichen Zusammenhang mit seiner derzeitigen Situation steht. Manches Mal kann professionelle Unterstützung, Begleitung angebracht sein, im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe.
Es könnte auch anders laufen:
Der Wecker weckt sanft, die innere biologische Uhr des Betreffenden ist darauf eingestellt – der Betreffende weiß, dass er noch ausreichend Zeit zum Aufstehen, Frühstücken, für die Körperhygiene und sich Anziehen hat – er hat gut und ausreichend geschlafen, ist in einer ausgeglichenen Stimmungslage – es belastet ihn nicht, dass er den Auftrag noch nicht fristgerecht erledigt hat, weil er seinen Chef rechtzeitig darüber informierte und dieser dafür Verständnis zeigte – der Chef ist mit seiner Arbeitsleistung zufrieden, hat ihm dies schon öfters rückgemeldet – der Betreffende kann mit Leistungs-/Zeitdruck gut umgehen, kann sich selbst gut organisieren, ist motiviert und setzt sich erreichbare Ziele – vielleicht liest er noch am Frühstückstisch die Tageszeitung, hört noch Entspannungsmusik, bevor er sich auf den Weg zum Arbeitsplatz macht – während der Fahrt dorthin hat er sein Handy ausgeschaltet – für ihn beginnt der Tag mit viel Schwung und Energie – er stellt sich schon auf den Arbeitstag ein, macht einen vorläufigen Plan, wie er den Arbeitstag strukturiert.
Kommentar:
Es handelt sich in der Gegenüberstellung um eine sehr vereinfachte und konstruierte Darstellung zweier unterschiedlicher Personentypen. Es wurde bewusst nur auf die Arbeitswelt Bezug genommen, außerdem ist nur eine Person involviert.
In Wirklichkeit ist es komplexer und komplizierter. Aber mittels dieser Beispiele wird versucht, zu veranschaulichen, wie wichtig bereits der Tagesbeginn für die psychische Verfassung von Personen ist und sich insgesamt auf die Gesamtpersönlichkeit auswirkt. Wobei Erlebnisse aus dem Vortag oder schon von viel früher nachhaltige Wirkung haben. Wichtig ist, wie damit umgegangen wird.
Der Betreffende in Beispiel 1 scheint Schwierigkeiten mit der Selbstorganisation zu haben, weiterhin stellt für ihn die Abgrenzung zwischen Beruf und Freizeit ein großes Problem dar. Er steht unter Zeit- und Arbeitsdruck. Wahrscheinlich ist er mit der Arbeit überfordert oder seine Leistung wird nicht anerkannt, was ihn zusehends frustriert und demotiviert hat. Der Betreffende kann am Morgen nicht den Augenblick genießen und abschalten bzw. sich entspannen.
Dadurch hat er eine psychosomatische Beschwerde entwickelt. Der Betreffende befindet sich, wie es scheint, in einer Opferrolle, aus der er wieder schwer herauskommen kann. Eine Krankheit kann diese verstärken und zu einem sekundären Krankheitsgewinn führen. Es wird für den Betreffenden fast unmöglich, mit der Situation alleine konstruktiv umzugehen und sie somit zu bewältigen.
In Beispiel 2 hat der Tagesbeginn für den Betreffenden eine positive Wirkung. Er wirkt ausgeglichen, kann mit schwierigen Situationen gut umgehen. Leistungs-/Zeitdruck bei der Arbeit fasst er als Herausforderung auf, sodass dies für ihn keine Stresssituation ist. Die Abgrenzung zwischen Beruf/Freizeit gelingt ihm scheinbar mühelos. Er weiß sich in seiner Arbeit wertgeschätzt, kann mit seinem Vorgesetzten offen über etwaig auftauchende Probleme bei der Arbeit sprechen. Wie es scheint, befriedigt ihn die Arbeit. Der Betreffende nimmt sich am Morgen Zeit für das Frühstück und kann sich auf den Arbeitstag gut einstellen.
Fazit: Stress muss sich nicht immer negativ auf die subjektive Befindlichkeit auswirken. Es hängt immer davon ab, welche Bedeutung jeweils einer stressogenen Situation beigemessen und wie damit persönlich umgegangen wird. Eine persönliche Gelassenheit und Ent-Schleunigung, bei Bedarf, ist für die Gesundheit förderlich.
Rückfragenhinweis:
Dr. Maximilian Haid
Klinischer und Gesundheitspsychologe
Psychotherapeut
maximilian.haid@gmx.at
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